So dann möchte ich auch mal berichten:
Bin Mitte 30 und wir haben unsere Familienplanung abgeschlossen, Hormone sind meiner Frau noch nie wirklich gut bekommen und jetzt für den Rest des (Sex)Lebens immer Gummis? Nein Danke.
Insofern kam dann irgendwann das Thema Vasektomie auf den Tisch und ich habe angefangen mich zu informieren. (Zur Verwunderung meiner Frau war das für mich nie grds. ein „Problem“ da jemanden an mir rumschneiden zu lassen). 😉
Das Internet kann dabei ja Segen und Fluch zugleich sein und wie die allermeisten hier habe natürlich auch ich die diversen Seiten gefunden bei denen dringend von dem Eingriff abgeraten wird und alle möglichen Horrorszenarien an die Wand gemalt werden – doch dazu später dann noch etwas mehr.
In unserer Stadt gab es einen Urologen der zum Netzwerk „Vasektomie Experten“ gehört – ok deren Seite wirkt durchaus ausgewogen was den Informationsgehalt angeht – mögliche Risiken werden
am Rande erwähnt aber eher nur kurz angerissen, in einem ausführlichen Beratungsgespräch würde der jeweilige Urologe einem dann alles erklären. Ok also Termin für Gespräch vereinbart und gewartet.
An dem entsprechenden Tag hatte ich arbeitsbedingt einen späten Termin und war jetzt davon ausgegangen, dass so kurz vor Feierabend in der Praxis jetzt nicht mehr so der Andrang wäre – falsch Gedacht. Trotz konkretem Termin (mit dem „freundlichen“ Hinweis der Sprechstundenhilfe doch bitte pünktlich zu sein) habe ich ca. 1,5 Std. warten müssen – die sonstige Abendplanung war damit hinfällig. Das alles wäre noch nicht mal ein großes Thema gewesen, nur was dann folgte war eher ernüchternd.
Man muss ja als Patient durchaus ein gewisses Vertrauen in seine Ärzte haben und neben fachlicher Kompetenz spielt Sympathie ja auch eine Rolle. Um es kurz zu machen – Sympathie Fehlanzeige und das Beratungsgespräch wurde in 5 Minuten „durchgepeitscht“ als wäre es eine lästige Formalie (der Doc wollte wohl auch in den Feierabend verschwinden). „Sie haben sich ja bestimmt vorab schon informiert oder…?“ – eine wirkliche Aufklärung erfolgte nicht, es wurden lediglich die Standardrisiken aus dem Einwilligungsformular runtergeleiert. Fragen nach Risiken (mir war bei dem Gedanken an etwaige chronische Schmerzen in dem Bereich nicht so richtig wohl) wurden „weggewischt“ – „Da passiert schon nichts und wenn doch operieren wir halt noch mal nach…“.
Ok spätestens an dem Punkt war klar – hier kommen wir nicht zusammen. Das man das Einwilligungsformular am besten gleich noch vor Ort unterschreiben sollte (man hätte es aber auch
mitnehmen dürfen) und direkt den Termin für nächste Woche „Ja da habe ich noch was frei…“ abmachen sollte war mir dann auch alles etwas zu hudelig. Ist ja nun nicht so, dass man ggf. da auch arbeitstechnisch mal schauen müsste wie man seine eigenen Termine abstimmt.
Formular nicht unterschrieben sondern mit nach Hause genommen – und meiner Frau gleich signalisiert, dass das mit diesem Urologen nichts wird. Das Thema ist dann ein wenig eingeschlafen,
ich habe zwar noch mal weiter im Internet gesucht, aber jetzt einfach willkürlich irgendwelche Urologen abklappern, dazu hatte ich dann auch keine Zeit und Lust.
Per Zufall ergab sich dann über eine Bekanntschaft der Kontakt zur Urologie einer Klinik in einer Nachbarstadt – ok also nächster Versuch. Wieder Termin für Beratungsgespräch vereinbart
(musste ein paar Wochen warten weil dort nur an bestimmten Tagen die Beratungen stattfinden) – aber hey lieber so als übers Knie gebrochen.
Diesmal nur 20 Minuten gewartet und im Prinzip das komplette Gegenteil zum ersten Anlauf. Sympathischer unaufgeregter Chefarzt der in einer sehr ruhigen Art eine Beratung durchgeführt
hat die ihren Namen auch verdient, auf Fragen wurde eingegangen und was ich persönlich sehr gut fand (auch wenn die Frage bleibt wie ehrlich er hier war), dass er offen gesagt hat, dass es in den 15 Jahren in denen er das macht es bislang 3 Fälle gegeben hat wo es nicht so glatt gelaufen ist wie gewünscht.
Diesmal also direkt vor Ort die Einwilligung unterschrieben und dann zur OP-Terminvergabe übergegangen. Auch hier kein wie auch immer gearteter Druck, sondern eher die Frage: „Wann passt
es Ihnen am besten? Ach da sind Sie im Urlaub – kein Problem dann machen wir es dann und dann…“.
So genug zum Vorspann – jetzt die eigentliche OP (vor 5 Tagen):
Eingriff mit örtlicher Betäubung (Vollnarkose auf Wunsch möglich – ich vertrage das aber nicht wirklich gut). Nachdem der sonstige Papierkram erledigt ist bringt mich eine Schwester in das Vorbereitungszimmer, Kittel an – Kontrolle ob auch keine störenden Haare im Weg sind und der Chefarzt kommt und setzt die Betäubung. Im Endeffekt waren die 2 Piekser das „schlimmste“ an der ganze OP. Man mal sich da ja schon so das ein oder andere Horrorszenario aus, aber im Vergleich zu der Zerrung in der Schulter die ich mir 2 Wochen vorher geholt hatte war das Kinderkram.
OP selbst hat vielleicht 15 Minuten gedauert, währenddessen noch mit dem Arzt und der Schwester gescherzt. Die Dame im OP meinte noch sie hätte lange niemanden mehr gesehen, der so entspannt
gewesen sei – normalerweise wäre die Unterlage auf dem Tisch durchgeschwitzt. Wirklich gemerkt habe ich nichts, nachspritzen war nicht nötig und außer ein bisschen ziehen und ruckeln spürt man kaum was, auf jeden Fall keine Schmerzen.
Ich wäre dann ja gleich von der Liege gesprungen und nach Hause gefahren wurde aber noch „genötigt“ mich für eine gute halbe Stunde im Vorbereitungszimmer hinzulegen, auch wenn ich mich fit gefühlt habe aus medizinischer Sicht sicher eine sinnvolle Sache (es wurde
zumindest Kaffee und/oder Wasser gereicht). Kurze Nachkontrolle ob noch irgendwas blutet – das ist nicht der Fall und ich bin entlassen.
Bis auf ein dumpfes ziehen (kein wirklicher Schmerz) ist auch jetzt noch nichts zu spüren – schauen wir mal was das Schmerzlevel sagt, wenn die Betäubung nachlässt. Ne auch am Abend ist kein wirklicher Schmerz zu spüren – mehr eben das berühmte Ball in die Kronjuwelen Gefühl aber nicht mehr. Von daher habe ich auch komplett auf Schmerzmittel verzichten können.
Grds. „Funktionsbereitschaft“ wurde dann auch bereits am nächsten Morgen wieder gemeldet, also auch hier offenbar alles im grünen Bereich. Heute am Tag 5 nach der OP ist bis auf ein leichtes ziehen an den genähten Stellen eigentlich schon nichts mehr zu spüren, sitzen geht ohne Probleme, lediglich wenn man bestimmte Bewegungen macht (z.B. Knie an die Brust ziehen) schmerzt es an der Naht. Und ja man sollte in diesem Stadium ja auch noch nicht wieder rumturnen, war mehr eine unbewusste Bewegung woran man aber auch merkt, dass man im Prinzip schon vergessen hat das da was ist.
Rechnung habe ich noch nicht bekommen – wird aber so um die 350,- € liegen. Im Vergleich beim ersten Urologen hätte mich der Eingriff ungefähr das gleiche gekostet, ich hätte aber den Anästhesisten (da „Externer“) noch mal extra mit ca. 150,- € auslösen müssen.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zu den „Angstmach“-Seiten im Netz:
Ja es ist ein operativer Eingriff und ja jede OP ist mit gewissen Risiken verbunden. Insofern sollte man sich vorab anständig über die Risiken informieren (lassen) und abwägen ob der Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zum Risiko steht. Wie bei jedem Eingriff kann eben auch mal was schief gehen oder es können Komplikationen auftreten.
Wer wir ich im ersten Anlauf an einen Urologen gerät der das quasi im Schnelldurchgang durchpeitschen möchte und wer beim Beratungsgespräch nicht komplett überzeugt ist sollte sich da doch lieber die Mühe machen und noch mal weitere Stellen aufsuchen. Denn natürlich gibt es eben auch Ärzte die neben dem Wohl das Patienten auch ihr finanzielles Wohl im Auge haben – wenn das Gefühl besteht der Eingriff wird abgehandelt als wenn man beim Schlachter sich ein Pfund Hackfleisch holt – Finger weg.
Es gibt genügend kompetente Stellen und ja dann muss man ggf. ein paar Wochen warten bis man einen Termin bekommt, aber wer bislang 35 Jahre oder mehr ohne den Schnitt ausgekommen ist wird dann ja wohl auch noch ein bisschen Geduld aufbringen können (das sollte einem das eigene Wohlbefinden ja wohl wert sein).
Zurück zu den Kritikern: Wie hier ja auch schon mal erwähnt sind auf bestimmten Seiten positive
Erfahrungsberichte gar nicht erwünscht bzw. diese werden konsequent gelöscht. Dort geht es weniger um Aufklärung oder Erfahrungsaustausch als um negative Stimmungs- und Panikmache.
Wer auf einer bestimmten Seite landet und dort quer liest wird nach dem ersten Eindruck wohl sagen: „Vasektomie – never ever…“ aber es lohnt hier auch ein zweiter Blick. Wie erwähnt positives will man hier nicht haben und im Endeffekt stellt sich dann heraus, dass es wohl vielmehr der persönliche „Rachefeldzug“ von hauptsächlich so 2 bis 3 Personen ist die nach ihrem Eingriff an dem Post-Vasektomie-Syndrom (PVS) leiden und (chronische) Schmerzen haben für welche sie die OP verantwortlich machen.
Und um es ganz klar zu sagen: Ja das kann passieren. Die Angaben zur Häufigkeit schwanken (je nachdem ob es von den Ärzten oder Gegnern kommt), die Wahrheit wird wie so oft irgendwo in der Mitte liegen. Wieso es dazu kommen kann ist dabei ebenso unklar, es gibt verschiedene Erklärungsansätze von körperlichen Reaktionen bis hin zur Psyche des Patienten.
Persönlich denke ich, dass hier vieles auch wirklich Kopfsache ist. Nimmt man einen Negativbericht bei dem der Patient beschreibt er wäre auf der OP-Liege so verkrampft gewesen, dass er hinterher von einem Physiotherapeuten das Becken wieder eingerenkt bekommen musste, ihn aber ein Heilpraktiker dann mit Globuli (ja diese Zuckerperlen ohne Wirkstoff) zumindest temporär wieder schmerzfrei bekommen hat spricht das meiner Meinung nach schon Bände.
Auch das der Hauptinitiator der Seite irgendwelchen Leuten E-Mails schreibt in dem er ankündigt sich umzubringen wenn sein Sohn volljährig wird (wusste nicht das man mit 18 Jahren keinen Vater mehr braucht) weil er die Schmerzen nicht mehr aushält legt die Vermutung nahe, dass sein Problem zumindest nicht ausschließlich auf organischen Ursachen beruht.
An dem Spruch „Wenn Männer Kinder kriegen müssten, wäre die Menschheit schon ausgestorben.“ ist schon einiges dran. Wenn man sich mal ansieht wie sensibel wir reagieren wenn es um
unser bestes Stück geht während die Frauen Schwangerschaft und Geburt mitmachen
müssen…
Wer also über eine Vasektomie nachdenkt sollte sich daher (noch) nicht unters Messer legen solange im Kopf nicht wirklich Klarheit darüber herrscht was man will und das man das richtige tut.
Ich persönlich freue mich über die dazu gewonnene „Freiheit“ (musste viel eher im Vorbereitungszimmer zusehen, dass die Vorfreude auf die Zeit nach der OP nicht dazu führte, dass ich mit einer Erektion in den Saal laufe – „Denk an tote Katzenbabys…“) und hoffe, dass sich die Fäden der Nähte schnell verabschieden.
P.S. Und wem es gedanklich hilft – Männer ihr seid danach nicht impotent sondern „nur“ auf normalem Wege zeugungsunfähig. Sollte das worst-case Szenario X eintreten und aus welchen
Gründen auch immer zu einem späteren Zeitpunkt doch noch mal ein Kinderwusch bestehen gibt es auch hier durchaus Möglichkeiten mit relativen hohen Erfolgschancen.